Krisen bewältigen

 

Warum gelingt es dem einen Menschen, an seinem Schicksal zu wachsen, und der andere scheitert daran? Wie kann man Krisen bewältigen? Weshalb werden manche trotz widrigster Umstände erfolgreich und andere nicht? Was ist der Grund, dass die einen niemals aufgeben, obgleich sie mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert werden – und andere gleich das Handtuch werfen?

Was macht uns stark?

Emmy Werner, eine amerikanische Entwicklungspsychologin, setzte sich mit diesen und weiteren Fragen im Rahmen ihrer Resilienzforschung auseinander. Sie forschte im Rahmen einer Längsschnittstudie gemeinsam mit ihrem Team und begleitete auf der Hawaii-Insel Kauai an die 700 Kinder bis zu deren erwachsenen Alter. Dabei wurde deutlich, dass ein Drittel dieser Kinder unter schwierigsten Bedingungen aufzuwachsen hatte: Armut, Misshandlung, Vernachlässigung, psychisch kranke Eltern und weitere soziale Missstände prägten den Alltag dieser Gruppe. Erstaunlicherweise gelang es dennoch 72 dieser Kinder, ihre Schullaufbahn erfolgreich abzuschließen, sozial integriert zu sein und sich positiv weiter zu entwickeln. Sie wurden zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und empathischen Erwachsenen.

Das Ergebnis dieser und auch anderer Studien zeigte: Widrige Umstände in der Kindheit führen nicht zwangsläufig dazu, dass man im Leben scheitert oder es nicht gelingen lässt! So reicht es beispielsweise aus, wenn  mindestens eine liebevolle Bezugsperson in der Kindheit vorhanden ist, die dem Kind Sicherheit schenkt. In diesem Fall können verschiedenste Schutzfaktoren aufgebaut werden, die helfen, den Widrigkeiten effektiv zu begegnen. Diese Bezugspersonen müssen nicht unbedingt Vater oder Mutter sein. Auch Geschwister, Tanten, Onkel, LehrerInnen oder NachbarInnen können zum sicheren Hafen für Heranwachsende werden. Ebenso tragen Haltungen von Offenheit, Neugier und hoher sozialer Kompetenz dazu bei, dass sich Kinder aus Risikofamilien psychisch gesund entwickeln können.

Die Hawaii-Studie eröffnete damals erstmals den Blick auf das Vorhandensein von Resilienz. Die Ergebnisse machten bewusst, welche Kriterien vorhanden sein müssen, um trotz aller Umstände und Widrigkeiten widerstandsfähig zu werden. Bedeutet das aber nun, dass man durch Resilienz  gänzlich unverwundbar ist? Nein, ganz und gar nicht! Verwundbar sind auch resiliente Menschen, aber sie entwickeln im Laufe ihres Lebens eine große Stärke und Sicherheit. Und sie erwerben die Fähigkeit, mit Stress und krisenreichen Zeiten erfolgreich umzugehen.

Wir brauchen Frust

Somit versteht man unter der Resilienz die Fähigkeit, Krisen und Belastungen konstruktiv zu bewältigen. Resilienz wird dabei durch Erfahrungen erworben, sie ist nicht genetisch bedingt. Diese Erfahrungen werden von klein auf gemacht. Das bedeutet für Eltern, Kinder nicht vor jeder Krise zu schützen, um ihnen damit notwendige Bewältigungserfolge zu ermöglichen. Kinder brauchen Krisen, um zu wachsen. Kinder müssen lernen, Frustrationen auszuhalten und diese zu durchschreiten. Unsere Aufgabe als Eltern ist es, an ihrer Seite zu bleiben und den Schmerz auszuhalten. Auf diesem Weg können unsere Kinder gesunde Erwachsene werden, die das Leben stemmen und bewältigen.

Entwicklung von Schutzfaktoren

Eine gute Nachricht dazu: Resilienz ist erlernbar. Es ist also ganz gezielt möglich, die einzelnen Schutzfaktoren der Resilienz zu erwerben und auszubauen. Dies alles sollte allerdings am besten noch vor der nächsten Krise geschehen!

Zwar gibt es in den verschiedenen Forschungsstudien über Resilienz durchaus unterschiedliche wissenschaftliche Ansätze, allerdings werden immer wieder sehr ähnliche Schutzfaktoren aufgelistet. Dazu zählen Selbstwirksamkeit, Akzeptanz, Optimismus, Eigenverantwortung, soziale Unterstützung oder Netzwerkorientierung sowie Lösungs-  und Zukunftsorientierung. Im Folgenden soll ein wenig näher auf die Selbstwirksamkeit, die Akzeptanz und den Optimismus eingegangen werden.

Selbstwirksamkeit in der Resilienz:

Hierbei ist sich der resiliente Mensch im Klaren: „Ich bin davon überzeugt, dass ich in meinem Leben etwas bewirken kann.“ Und weiter: „Ich muss nicht im Dunklen sitzen bleiben, ich kann den Lichtschalter bedienen.“ Letztlich: „Ich bin der Finsternis nicht hilflos ausgeliefert. So bin ich nicht Opfer sondern Gestalter meines Lebens.“

Hingegen bringen Glaubenssätze wie „Ich bin ein Versager“, „Ich habe zwei linke Hände“ oder „Ich schaffe das nie“ eine defizitäre Haltung. Daher gilt es, diese „alten“ Mantras zu enttarnen und in lebensspendende Sätze umzuwandeln. Hierfür ist einige Disziplin vonnöten, denn obgleich wir wissen, dass uns negative Sätze in die Hilflosigkeit und Enge führen, sind sie uns dennoch sehr vertraut und „lieb“ geworden. Sich von ihnen zu trennen, benötigt tatsächlich Mut: Denn ich kann mich nun nicht mehr verstecken und auch nicht mehr in meinem Selbstmitleid schwelgen. Ich muss zur Veränderung aktiv werden.

Aber probieren Sie es doch einmal aus: Enttarnen Sie ihre tief verwurzelten und ganz persönlichen negativen Glaubenssätze – verwandeln sie einen davon vom Minus ins Plus. Statt: „Ich bin ein Versager“ könnte der neue Mutmacher – Satz lauten: „Ich kann das“. Spüren sie nach, welcher  dieser Sätze ihnen wohler tut. Dies ist einer der konkreten Wege, um die wichtige Selbstwirksamkeit zu trainieren. Geben Sie dabei nicht auf, Sie sind es wert.

Akzeptanz in der Resilienz:

„Love it, change it or leave it“, lautet ein Lehrsatz in der Psychologie.  Übersetzen könnte man ihn mit “Liebe deine Aufgabe”. Wenn dies allerdings nicht möglich ist, dann “ändere deine Umstände”. Und wenn diese nicht zu ändern sind, “verlasse diesen Bereich”. Manchmal  können wir aber unsere Umstände nicht hinter uns lassen, vielleicht sogar nicht verändern. Was also dann? Dann bin ich einzig und alleine selbst im Stande, etwas zu tun – schlicht meine Haltung  und Einstellung zu verändern. Denn es nützt nichts, andere zu beschuldigen oder Probleme und Leid zu verleugnen. Viel mehr führt solch eine Haltung zu einem innerlich hohen Stressniveau. Finde ich allerdings zu einer Haltung von Akzeptanz und kann ich ehrlichen Herzens sagen: „Es ist, wie es ist“, reduziert dies meinen innerlichen Stresspegel grundlegend. Ich beginne, konstruktive Wege für meine Krise zu finden.

Ja, es ist wahr: Leicht ist das nicht und es benötigt Zeit, manchmal viel Zeit. Dabei sind Hadern, Ablehnen und Verleugnen durchaus Phasen, die zu Veränderungsprozessen und Krisen dazugehören. Selbst dann, wenn wir theoretisch und im Kopf alles verstanden haben, benötigt es noch einige Zeit, um auch zu einer emotionalen Akzeptanz zu finden. Nach diesem Schritt allerdings wird das Ergebnis integriert und Frieden im Herzen geschlossen.

Wie finde ich nun zu einer Haltung von Akzeptanz?  Ein Tipp: Lassen Sie Emotionen wie Angst, Wut und Trauer zu. Gehen Sie freundlich mit sich um und verurteilen sie sich nicht. Kämpfen Sie nicht“dagegen“ und blicken Sie vielmehr in ihrem Leben zurück: Schauen Sie darauf, was Ihnen bislang in Krisen geholfen hat und Sie wieder gut aufstehen hat lassen. Es rentiert sich, Sie werden sehen.

Optimismus in der Resilienz

Beobachten Sie sich einmal selbst, wie Sie morgens aus dem Bett kommen: Wie stehen Sie auf? Welche Gedanken gehen Ihnen durch den Kopf? Erwarten Sie, dass der Tag gut und erfüllend wird – oder gehen Sie mit einem Seufzer ins Bad und entdecken dann ein missmutiges Gesicht im Spiegel?

Optimisten hingegen erwarten das Beste. Sie gehen mit Hoffnung und Zuversicht  an die Herausforderungen heran, blenden dabei aber die Realität nicht aus. Statt Krisen sehen sie Chancen. Es liegt also allein daran, wie ich selbst Umstände einschätze und ihnen begegne, wie ich sie also bewerte und angehe. Das Erfreuliche: Diese Betrachtungsweise ist erlern,- und einübbar.

Eine optimistische Haltung kann beispielsweise durch Dankbarkeit erworben werden: Schreiben  Sie  z.B. jeden Abend drei Begebenheiten auf, für die Sie an diesem Tag dankbar sein können. Lesen Sie diese Notizen dann als erstes durch, wenn Sie am Morgen aufwachen. Wir sind letztlich für unsere Gedanken und unsere Programmierungen selbst verantwortlich.

 

Gerhard Richter ist freier Journalist, Trainer und Berater mit Schwerpunkten wie Kommunikation oder Lebensgestaltung (www.richter-medienservice.de).

Olga Kessel lebt mit ihrer Familie in Salzburg. Sie ist Trainerin, Coach und Lebens-und Sozialarbeiterin in freier Praxis (www.lebensberaterinsalzburg.at)

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift „Ehe und Familien Bausteine“, Ausgabe 103 von Family Life Mission.

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