Gelingende Kommunikation

Kommunikation ist eines der großen Wunder des menschlichen Miteinanders. Gelingt sie, kann sie ein wunderbares Werkzeug für eine wachsende Gemeinschaft sein und gleichzeitig kann sie als eine scharfe Waffe, die trennt und verletzt, eingesetzt werden. Die gemeinsame Sprache kann eine gute Hilfe sein, sie ist jedoch noch kein Garant, dass wir einander tatsächlich verstehen.

Einen Tag lang helfe ich bei der Flüchtlingsversorgung eines Durchganglagers aus. Prompt werde ich der Essensausgabe zugeteilt. Mit einem Schöpfer gewappnet stehe ich vor zwei großen Töpfen, einer voller Reis, der andere voll Nudeln. Die Kollegin neben mir wird die Plastikschüsseln mit Suppe befüllen. Soweit der Plan. Wir warten während eine große Menschentraube sich durch den Eingang schleust. Langsam steuern die ersten die Essensausgabe an. Ich lächle und blicke den Menschen entgegen. Eine bunte Mischung kommt uns entgegen. Alte und Junge, Familien und Alleinstehende, Frauen und Männer. Viele sehen müde aus, erschöpft von ihrer langen Reise. Andere wieder lächeln dankbar zurück. Meine Aufgabe ist einfach. Ich zeige auf die zwei Töpfe vor mir und frage automatisch auf Englisch „Do you want rice or pasta?“ („Wollen Sie Reis oder Nudeln?) So manch Gefragte antworten mir, die meisten von den Flüchtlingen zeigen auf das, was sie wollen und ich verstehe sie. Ein paar Kinder drängen sich vor, stellen sich erwartungsvoll vor die Töpfe und blicken mich mit großen Augen an. Es braucht keine Worte, ich verstehe, sie haben Hunger. Am Ende des Tages fahre ich müde nach Hause, emotional ausgelaugt … so viele Gesichter, so viele Geschichten, die ich wohl nie hören werde.

Grenzen meiner Kommunikationsfähigkeit

Als es um die Einlage der Suppe ging, habe ich verstanden. Später allerdings, als ich durch die Halle ging und versuchte mich mit ein paar Leuten zu unterhalten, stoße ich schnell an die Grenzen meiner Kommunikationsfähigkeit. Ein junges Mädchen spricht fließend Englisch und übersetzt für ihre Familie. Viele von den Anwesenden kann ich nicht mal fragen woher sie kommen. Auch wenn ich noch so interessiert bin, ich kann nicht herausfinden woher die Menschen stammen. Abends denke ich noch lange über die vielen Eindrücke des Tages nach. Und jetzt noch, Wochen später, erinnere ich mich an so manches Gesicht, manchen Ausdruck in den Augen. Gefühlsausdrücke brauchen keine Worte. Dennoch bin ich unzufrieden. Wie gerne hätte ich mehr erfahren und den Geschichten der Reisenden gelauscht.

Gemeinsamkeit Sprache

Zurück in meinem Alltag merke ich, dass auch die gemeinsame Sprache kein Garant für gelungene Kommunikation ist. In der Kaffeepause spreche ich kurz mit einer Kollegin, gehe zurück in mein Training und fahre später ahnungslos nach Hause. Einige Stunden später schickt sie mir eine E-Mail und beschreibt wie tief verletzt sie von einer Bemerkung von mir ist. Ich bin betroffen. Mir war nicht bewusst, was meine Worte bei ihr ausgelöst haben. Ich gehe gedanklich zurück und sehe wie ein unbedachter Satz wahrscheinlich bei ihr angekommen ist. Ich entschuldige mich, erkläre meine unachtsamen Worte. Dabei lerne ich wiederum eine der Tücken der Kommunikation: vorschnelle Worte.

Was ist Kommunikation?

Kommunikation stammt vom Lateinischen communicare ab und bedeutet das Mitteilen von Informationen. Kommunizieren kann aber auch das Teilen bedeuten. Das Teilen (oder Mitteilen) von Gefühlen, Gedanken, Wünschen, u.v.m. Kommunikation ist immer ein Austausch und geschieht zwischen Personen. Kommunikation in einer Beziehung ist wichtig, weil wir dadurch Zuneigung und Anteilnahme ausdrücken. Wir schaffen Verständigung und können unsere Bedürfnisse klären.

Die interessante Frage für uns in einer Beziehung ist: Wie können wir so miteinander kommunizieren, dass der andere /die andere mich versteht? Und in weiterer Folge, wie kann ich das, was mein Gegenüber mir mitzuteilen versucht auch verstehen? Da gibt es sicherlich Unterschiede in dem wie Männer und Frauen sprechen. Kommunikation ist aber auch abhängig von Kultur und welchem Wert wir ihr zusprechen.

Unausgesprochene Erwartungen

Im ersten Jahr unserer Ehe habe ich für meinen Mann, Scott zum 6. Dezember einen Schokoladen-Nikolaus gekauft. Ohne groß darüber nachzudenken hatte ich auch mit einer kleinen schokoladigen Aufmerksamkeit gerechnet. Scott fand den Schokoladen-Nikolaus ziemlich kindisch, denn er wusste nichts damit anzufangen. Ich hingegen war sehr enttäuscht, dass er für mich keine Schokolade gekauft hatte. Ich begann sogar zu weinen, was ihn natürlich sehr verunsicherte. Das Problem lag daran, dass ich ihm zuvor nie erzählt hatte, welche Tradition in Österreich am 6. Dezember mit dem Nikolaustag gefeiert wird, und dass ich diese Tradition auch gerne in unserer Beziehung integrieren möchte. Die Herausforderungen der Kommunikation ergeben sich für uns häufig erst, wenn es zu Missverständnissen kommt. Ansonsten nehmen wir Kommunikation als selbstverständlich an und denken vielleicht gar nicht bewusst darüber nach.

Gelungen kommunizieren

Mittlerweile gibt es fast so viele Kommunikationsmodelle wie Sand am Meer. Ein Modell, das ich sehr praktikabel empfinde, ist das der gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg. Menschen können nach Rosenbergs Grundannahme dann gelungen miteinander kommunizieren, wenn sie Empathie füreinander empfinden. Das spannende an der gewaltfreien Kommunikation ist, dass sie helfen kann klar und verständlich miteinander zu sprechen und einander empathisch zuzuhören. In der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) wird das Augenmerk auf die Gefühle und Bedürfnisse, die hinter Handlungen und Konflikten stehen, gelenkt. Dabei versteht sich die GFK nicht als Technik sondern eher als Werkzeug um einen empathischen Kontakt herzustellen.

Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation

Die Prinzipien oder Schritte der GFK sind schnell erklärt. Zunächst geht es darum in einer Situation genau zu beobachten, ohne zu bewerten. Die Beobachtung löst in mir ein Gefühl aus, das wahrgenommen werden will. Das empfundene Gefühl steht mit einem Bedürfnis in Verbindung. Erst wenn ich beobachtet habe, mein Gefühl wahrnehme und das darunterliegende Bedürfnis erkenne, kann ich an mein Gegenüber eine Bitte um eine konkrete Handlung im Hier und Jetzt richten. Dabei ist es wichtig, Bitten und Wünsche voneinander zu unterscheiden. Bitten beziehen sich auf Handlungen im Jetzt, wohingegen Wünsche vage sind und sich auf Zustände oder Ereignisse in der Zukunft beziehen. Bitten sind daher viel leichter zu erfüllen und haben deshalb höhere Chancen auf Erfolg. Rosenberg schlägt außerdem vor, Bitten in einer „positiven Handlungssprache“ zu formulieren. Einfach ausgedrückt: Sage was du willst, nicht was du nicht willst! Rosenberg fasst die Schritte der GFK in folgendem Satz zusammen: „Wenn ich a sehe, dann fühle ich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.“

Eine konkrete Bitte ist zwar ein wichtiger Schritt für die Erfüllung meiner Wünsche aber keine Garantie. Im Unterschied zu einer Forderung akzeptiert eine Bitte auch ein „Nein“. Wenn ich enttäuscht bin, dass meine Bitte nicht erfüllt wurde, kann es daran liegen, dass ich keine Bitte sondern eine Forderung gestellt hatte.

Während ich diesen Text schreibe, kommt meine Tochter zu mir und beginnt mit mir wie ein Wasserfall zu sprechen. Zunächst bin ich irritiert, aber dann fällt mir der Inhalt des eben Geschrieben ein und ich versuche mein Wissen in die Praxis umzusetzen.

  1. Ich sehe, dass meine Tochter etwas mit mir besprechen möchte.
  2. Es löst in mir ein Gefühl des Ärgers aus,
  3. weil ich das Bedürfnis habe diesen Artikel in Ruhe fertig zu schreiben. Daher sage ich:
  4. Bitte komme in 5 Minuten noch einmal, dann mache ich eine Pause und konzentriere mich ganz auf dein Anliegen.“

Kommunikation ein großes Wunder

Persönlich erlebe ich Kommunikation immer noch als ein großes Wunder. Ich bin überrascht wie Kleinigkeiten das gegenseitige Verstehen behindern können. Gleichzeitig erlebe ich jede gelungene Kommunikation als großes Geschenk.

Quelle: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens

von Marshall B. Rosenberg, Verlag Jungfermann

Karin Foley

lebt mit ihrer Familie im Innviertel und arbeitet als Trainerin für Kommunikation und Persönlichkeitsbildung.

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Ehe und Familien Bausteine Nr. 99. Sie können diese Zeitschrift kostenlos als pdf-Datei bekommen, wenn Sie sich beim Newsletter anmelden.

 

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